Appell von tschetschenischen Flüchtlingen, die im
„Ausreisezentrum Bramsche-Hesepe“ einsitzen
Wir haben bereits einen Appell verschickt und
zahlreiche Instanzen gebeten, uns angesichts unserer
zahllosen Schmerzen zu helfen.
Wie Sie wissen, sind wir schon sehr lange in
Deutschland, und wir werden von einem Lager ins
andere geschickt, einige von uns schon neun oder
sieben Monate lang, und unsere Qualen scheinen kein
Ende zu nehmen. Wir kennen unsere Rechte nicht, man
gibt uns keine Informationen, außer dass man uns bei
der Ankunft hier im Lager gesagt hat, unsere
Situati-on sei ungeklärt.
Wir halten es nicht aus in diesem Lager hinter
Stacheldraht, wir befinden uns alle am Rande des
Zusammenbruchs.
Warum will man uns nicht verstehen - wir sind doch
nicht ohne Grund hierher gekommen! Bei uns ist seit
neun Jahren Krieg. Dort sind wir körperlich
erniedrigt worden, hier demütigt man uns moralisch.
Alle Männer sind von Schwierigkeiten bedroht, wenn
sie zurück ge-schickt werden. Sie können
„verschwinden“ oder sie werden vor den Augen ihrer
Angehöri-gen ermordet.
Für uns gibt es keinen Weg zurück.
Jede Nacht in der Heimat war ein Alptraum.
Erwachsene und Kinder hatten Angst, den nächsten
Morgen nicht mehr zu erleben.
Sie wissen sicher, dass Präsident Kadyrow bei einem
Attentat getötet wurde. Wenn man nicht mal einen
Präsidenten schützen kann, wie sollen sich dann
gewöhnliche Leute schüt-zen?
Wir können beweisen, dass Menschen, die nach
Russland abgeschoben worden sind, zu Hause nie
angekommen sind. Sie wurden an der Gangway des
Flugzeugs von russischen Behörden abgeholt und sind
verschwunden. Dieses Schicksal droht auch uns.
Und wenn Sie wie andere Journalisten unsere Kinder
fragen, was sie sich für ihr Leben wün-schen, werden
sie Ihnen antworten, dass der Krieg in
Tschetschenien aufhören soll, dass sie in Sicherheit
leben wollen, dass sie ein Dach über dem Kopf haben,
zur Schule gehen und lernen möchten und ein normales
Leben wollen.
Wir möchten von den Menschenrechtsverletzungen
gegenüber Frau Daschajewa berichten. Frau Daschajewa
ist mit ihren Kindern über Österreich nach
Deutschland gekommen und hat dort, in Österreich,
ihre Fingerabdrücke abgeben müssen. Sie ist mit der
Hoffnung hierher gekommen, bei ihrem Mann bleiben zu
können, so dass die Familie nicht weiter getrennt
ist. Als sie sich im Lager Oldenburg aufhielt, wurde
entschieden, dass sie nicht bleiben darf, worüber
sie jedoch nicht informiert wurde. Eines Nachts
drangen Polizisten in ihren Raum ein und sagten,
dass sie nach Österreich zurückgeschickt wird. Sie
ist in Panik geraten, als die Polizisten ohne
Vorwarnung begannen, ihre Sachen zusammenpackten und
ihr die Aus-weisung unter die Nase hielten.
Dann wurden sie und ihre Kinder zum Flughafen
gebracht, aber als sie an der Treppe des Flugzeugs
in Panik ausbrachen, lehnten die Piloten es ab, sie
in das Flugzeug bringen zu lassen.
Während sie in dieses Lager (Bramsche) gebracht
wurden, hatten die Kinder großen Hunger und baten um
etwas zu trinken. Obwohl die Polizisten vor den
Augen der Kinder aßen und tranken, hat man ihnen
nichts gegeben. Als der Kleine eine Polizistin
fragte, ob sie ihm einen Snickers gäbe und dabei
weinte, sagte sie, wenn die Mutter dem Kleinen nicht
das Maul stopft, würde sie ihm den Hals umdrehen. So
ist man mit ihnen umgegangen.
Um 19 Uhr abends kamen sie hier im Lager an,
abgezehrt, erschöpft und völlig verstört.
Als Frau Daschajewa hier dem Sozialdienst und im
Haus 10 B davon erzählte, sagte man ihr, dass man
hier nicht so mit ihr umgehen würde. Doch es kam
noch viel schlimmer. Da-schajewa hat der zuständigen
Mitarbeiterin gesagt, dass sie einen weiteren
Angriff dieser Art nicht aushält, und dass man ihr
vorher mitteilen soll, wenn sie es noch einmal
versuchen sollten. Auch als sie ihre Duldung
verlängern lassen wollte, hat sie deutlich gemacht,
dass sie eine solche Abschiebung nicht übersteht und
dass sie noch immer unter Schock steht. Wir Frauen
wussten alle, dass sie in anderen Umständen war und
dass es ihr sehr schlecht ging. Deshalb war auch ihr
Mann bei ihr. Sie wollte am nächsten Morgen zum Arzt
gehen, doch gerade in der Nacht zuvor drangen wieder
Polizisten, eine Übersetzerin und ein Mitar-beiter
aus Haus 10 B in ihren Raum ein.
Der Mann erklärte, dass seine Frau nicht in der Lage
wäre, mit ihnen mitzugehen. Daraufhin haben sie ihn
mitgenommen und in Bramsche auf die Polizeistation
gebracht. Frau Dascha-jewa legten sie Handschellen
an. Sie geriet in Panik, die Kinder weinten und
fingen an zu schreien. Alle Bewohner des Hauses
waren auf den Beinen, es war furchtbar. Als sie
anfin-gen, die Kinder aus dem Haus zu tragen, waren
sie ganz blau vom Schreien und vor Angst. Eines der
Mädchen lief weg, und obwohl sie hinter ihr
hergelaufen sind, konnte sie sich ver-stecken. Die
Mutter wurde im Nachthemd, ohne Schuhe und mit
Handschellen aus dem Haus geführt, sie ist
ohnmächtig geworden. Die ältere Tochter konnten sie
nicht dazu brin-gen, mitzukommen, denn sie hat so
geschrieen, dass sie ganz blau angelaufen ist und
wir alle dachten, dass ihr Herz stehen bleibt.
Wegen dieses Tumultes beschlossen die Polizisten
abzufahren. Dabei beschimpften sie den Mitarbeiter
von Haus 10 B, dass er sie in eine solche Situation
gebracht hätte.
Dann wurde für die Mutter der Notarzt gerufen, sie
hatte Schmerzen im Unterleib und die Handschellen
hatten so starke Spuren an den Handgelenken
hinterlassen, dass sie ins Krankenhaus gebracht
werden musste. Die Tochter, die weggelaufen war,
haben wir erst am nächsten Morgen in den Büschen
gefunden; auch sie hatte Schmerzen im Unterleib und
eine Grippe.
Wir können keinen Unterschied darin sehen, wie man
mit uns in Tschetschenien umgegan-gen war und wie
man hier mit uns umgeht. Der einzige Unterschied
ist, dass die russischen Truppen Masken tragen und
den Frauen keine Handschellen anlegen.
Am nächsten Morgen versammelten sich alle
TschetschenInnen im Haus 10 B beim Leiter, um über
diesen Zwischenfall und unsere Situation im Lager zu
sprechen. Als wir ihn fragten, versuchte er das
Thema zu wechseln. Als wir die eine oder andere
Beschwerde vorbrachten, sagte er, wir sollten uns an
seine Mitarbeiter wenden. Wir können nicht
nachvollziehen, wo-für er eigentlich zuständig ist.
Auf die Frage, was das für ein Lager ist in dem wir
sitzen, und warum die einen sagen, es sei ein
„Abschiebelager“, andere Mitarbeiter, es sei ein
„Trans-ferlager“, erhielten wir die Antwort, dass es
ein „Wohnheim“ sei. Dabei wissen wir genau, dass das
ein Abschiebelager ist, denn sonst wäre Frau
Daschajewa nicht hierher gebracht worden: Sie hatte
gar keinen Transfer nach Bramsche bekommen. Kurz
gesagt, das Ge-spräch mit dem Chef war eine einzige
Enttäuschung.
So werden Menschenrechte verletzt, und Gesetze
werden außer Kraft gesetzt, wenn es ih-nen passt.
Aber wer übernimmt die Verantwortung für das, was
mit dieser Familie gemacht wurde? Was wäre, wenn die
Kinder ihre Sprache verloren hätten? Das ist alles
vorgekommen bei uns. Was wäre, wenn die Mutter das
Kind verloren hätte? Warum macht sich niemand
Gedanken über die Konsequenzen? Was haben diese
Kinder verbrochen? Sie wollen nur mit ihrem Vater
und ihrer Mutter zusammen sein, sie kennen die
Gesetze nicht. Lange Zeit haben sie ihren Vater
nicht gesehen und sind nur in der Hoffnung hierher
gekommen, mit ihm zusam-men zu sein – und jetzt
sollen sie auseinander gerissen werden.
Nun noch ein paar Worte zu unserer Situation im
Lager hier. Wir können Ihnen eine Vielzahl von
Beispielen nennen, um die Bedingungen zu
beschreiben.
Wir zum Beispiel sind eine Familie mit vielen
Kindern; es sind Mädchen und Jungen, auch
volljährige, und wir leben alle zusammen in einem
Zimmer. Dadurch entstehen peinliche Si-tuationen,
bei uns ist das nicht üblich. Wir leben schon
monatelang so, und wir wissen nicht, wie lange wir
das noch aushalten können. Dieses Lager ist nicht
für einen längeren Aufent-halt ausgelegt, die
Einrichtung ist dafür nicht geeignet. Das verursacht
Stresszustände und hat Folgen, die man gar nicht
beschreiben kann. Wenn wir Frauen dass noch
irgendwie aus-halten können, wie ist das erst für
die Männer, denen hier alles genommen wird?
Was haben wir verbrochen, dass wir so leiden müssen.
Sind wir etwa daran schuld, dass wir als
TschetschenInnen geboren wurden und in
Tschetschenien aufgewachsen sind?
Wir sind stolz auf unsere Nation und auf unsere
Heimat. Warum müssen wir dafür büßen?
Die deutsche Regierung hat verkündet, dass sie
AsylbewerberInnen aufnimmt. Wir haben unsere
Angehörigen und Verwandten zurückgelassen und sind
hierher gekommen mit der Hoffnung, Ruhe, Hilfe und
ein kleines Stück Land zu finden, wo man leben und
die Kinder großziehen kann. Diese Hoffnung haben wir
verloren.
Das einzige was wir wollen ist, dass diejenigen, von
denen wir abhängig sind, uns ein Stück Papier geben
wo drauf steht, dass sie es ablehnen uns hier
aufzunehmen. Mit großer Ent-täuschung und
Traurigkeit würden wir versuchen, in einem anderen
Land Asyl zu bekommen.
Appell tschetschenischer Flüchtlinge aus Bramsche Hesepe
Appell von tschetschenischen Flüchtlingen, die im
„Ausreisezentrum Bramsche-Hesepe“ einsitzen
Wir haben bereits einen Appell verschickt und
zahlreiche Instanzen gebeten, uns angesichts unserer
zahllosen Schmerzen zu helfen.
Wie Sie wissen, sind wir schon sehr lange in
Deutschland, und wir werden von einem Lager ins
andere geschickt, einige von uns schon neun oder
sieben Monate lang, und unsere Qualen scheinen kein
Ende zu nehmen. Wir kennen unsere Rechte nicht, man
gibt uns keine Informationen, außer dass man uns bei
der Ankunft hier im Lager gesagt hat, unsere
Situati-on sei ungeklärt.
Wir halten es nicht aus in diesem Lager hinter
Stacheldraht, wir befinden uns alle am Rande des
Zusammenbruchs.
Warum will man uns nicht verstehen - wir sind doch
nicht ohne Grund hierher gekommen! Bei uns ist seit
neun Jahren Krieg. Dort sind wir körperlich
erniedrigt worden, hier demütigt man uns moralisch.
Alle Männer sind von Schwierigkeiten bedroht, wenn
sie zurück ge-schickt werden. Sie können
„verschwinden“ oder sie werden vor den Augen ihrer
Angehöri-gen ermordet.
Für uns gibt es keinen Weg zurück.
Jede Nacht in der Heimat war ein Alptraum.
Erwachsene und Kinder hatten Angst, den nächsten
Morgen nicht mehr zu erleben.
Sie wissen sicher, dass Präsident Kadyrow bei einem
Attentat getötet wurde. Wenn man nicht mal einen
Präsidenten schützen kann, wie sollen sich dann
gewöhnliche Leute schüt-zen?
Wir können beweisen, dass Menschen, die nach
Russland abgeschoben worden sind, zu Hause nie
angekommen sind. Sie wurden an der Gangway des
Flugzeugs von russischen Behörden abgeholt und sind
verschwunden. Dieses Schicksal droht auch uns.
Und wenn Sie wie andere Journalisten unsere Kinder
fragen, was sie sich für ihr Leben wün-schen, werden
sie Ihnen antworten, dass der Krieg in
Tschetschenien aufhören soll, dass sie in Sicherheit
leben wollen, dass sie ein Dach über dem Kopf haben,
zur Schule gehen und lernen möchten und ein normales
Leben wollen.
Wir möchten von den Menschenrechtsverletzungen
gegenüber Frau Daschajewa berichten. Frau Daschajewa
ist mit ihren Kindern über Österreich nach
Deutschland gekommen und hat dort, in Österreich,
ihre Fingerabdrücke abgeben müssen. Sie ist mit der
Hoffnung hierher gekommen, bei ihrem Mann bleiben zu
können, so dass die Familie nicht weiter getrennt
ist. Als sie sich im Lager Oldenburg aufhielt, wurde
entschieden, dass sie nicht bleiben darf, worüber
sie jedoch nicht informiert wurde. Eines Nachts
drangen Polizisten in ihren Raum ein und sagten,
dass sie nach Österreich zurückgeschickt wird. Sie
ist in Panik geraten, als die Polizisten ohne
Vorwarnung begannen, ihre Sachen zusammenpackten und
ihr die Aus-weisung unter die Nase hielten.
Dann wurden sie und ihre Kinder zum Flughafen
gebracht, aber als sie an der Treppe des Flugzeugs
in Panik ausbrachen, lehnten die Piloten es ab, sie
in das Flugzeug bringen zu lassen.
Während sie in dieses Lager (Bramsche) gebracht
wurden, hatten die Kinder großen Hunger und baten um
etwas zu trinken. Obwohl die Polizisten vor den
Augen der Kinder aßen und tranken, hat man ihnen
nichts gegeben. Als der Kleine eine Polizistin
fragte, ob sie ihm einen Snickers gäbe und dabei
weinte, sagte sie, wenn die Mutter dem Kleinen nicht
das Maul stopft, würde sie ihm den Hals umdrehen. So
ist man mit ihnen umgegangen.
Um 19 Uhr abends kamen sie hier im Lager an,
abgezehrt, erschöpft und völlig verstört.
Als Frau Daschajewa hier dem Sozialdienst und im
Haus 10 B davon erzählte, sagte man ihr, dass man
hier nicht so mit ihr umgehen würde. Doch es kam
noch viel schlimmer. Da-schajewa hat der zuständigen
Mitarbeiterin gesagt, dass sie einen weiteren
Angriff dieser Art nicht aushält, und dass man ihr
vorher mitteilen soll, wenn sie es noch einmal
versuchen sollten. Auch als sie ihre Duldung
verlängern lassen wollte, hat sie deutlich gemacht,
dass sie eine solche Abschiebung nicht übersteht und
dass sie noch immer unter Schock steht. Wir Frauen
wussten alle, dass sie in anderen Umständen war und
dass es ihr sehr schlecht ging. Deshalb war auch ihr
Mann bei ihr. Sie wollte am nächsten Morgen zum Arzt
gehen, doch gerade in der Nacht zuvor drangen wieder
Polizisten, eine Übersetzerin und ein Mitar-beiter
aus Haus 10 B in ihren Raum ein.
Der Mann erklärte, dass seine Frau nicht in der Lage
wäre, mit ihnen mitzugehen. Daraufhin haben sie ihn
mitgenommen und in Bramsche auf die Polizeistation
gebracht. Frau Dascha-jewa legten sie Handschellen
an. Sie geriet in Panik, die Kinder weinten und
fingen an zu schreien. Alle Bewohner des Hauses
waren auf den Beinen, es war furchtbar. Als sie
anfin-gen, die Kinder aus dem Haus zu tragen, waren
sie ganz blau vom Schreien und vor Angst. Eines der
Mädchen lief weg, und obwohl sie hinter ihr
hergelaufen sind, konnte sie sich ver-stecken. Die
Mutter wurde im Nachthemd, ohne Schuhe und mit
Handschellen aus dem Haus geführt, sie ist
ohnmächtig geworden. Die ältere Tochter konnten sie
nicht dazu brin-gen, mitzukommen, denn sie hat so
geschrieen, dass sie ganz blau angelaufen ist und
wir alle dachten, dass ihr Herz stehen bleibt.
Wegen dieses Tumultes beschlossen die Polizisten
abzufahren. Dabei beschimpften sie den Mitarbeiter
von Haus 10 B, dass er sie in eine solche Situation
gebracht hätte.
Dann wurde für die Mutter der Notarzt gerufen, sie
hatte Schmerzen im Unterleib und die Handschellen
hatten so starke Spuren an den Handgelenken
hinterlassen, dass sie ins Krankenhaus gebracht
werden musste. Die Tochter, die weggelaufen war,
haben wir erst am nächsten Morgen in den Büschen
gefunden; auch sie hatte Schmerzen im Unterleib und
eine Grippe.
Wir können keinen Unterschied darin sehen, wie man
mit uns in Tschetschenien umgegan-gen war und wie
man hier mit uns umgeht. Der einzige Unterschied
ist, dass die russischen Truppen Masken tragen und
den Frauen keine Handschellen anlegen.
Am nächsten Morgen versammelten sich alle
TschetschenInnen im Haus 10 B beim Leiter, um über
diesen Zwischenfall und unsere Situation im Lager zu
sprechen. Als wir ihn fragten, versuchte er das
Thema zu wechseln. Als wir die eine oder andere
Beschwerde vorbrachten, sagte er, wir sollten uns an
seine Mitarbeiter wenden. Wir können nicht
nachvollziehen, wo-für er eigentlich zuständig ist.
Auf die Frage, was das für ein Lager ist in dem wir
sitzen, und warum die einen sagen, es sei ein
„Abschiebelager“, andere Mitarbeiter, es sei ein
„Trans-ferlager“, erhielten wir die Antwort, dass es
ein „Wohnheim“ sei. Dabei wissen wir genau, dass das
ein Abschiebelager ist, denn sonst wäre Frau
Daschajewa nicht hierher gebracht worden: Sie hatte
gar keinen Transfer nach Bramsche bekommen. Kurz
gesagt, das Ge-spräch mit dem Chef war eine einzige
Enttäuschung.
So werden Menschenrechte verletzt, und Gesetze
werden außer Kraft gesetzt, wenn es ih-nen passt.
Aber wer übernimmt die Verantwortung für das, was
mit dieser Familie gemacht wurde? Was wäre, wenn die
Kinder ihre Sprache verloren hätten? Das ist alles
vorgekommen bei uns. Was wäre, wenn die Mutter das
Kind verloren hätte? Warum macht sich niemand
Gedanken über die Konsequenzen? Was haben diese
Kinder verbrochen? Sie wollen nur mit ihrem Vater
und ihrer Mutter zusammen sein, sie kennen die
Gesetze nicht. Lange Zeit haben sie ihren Vater
nicht gesehen und sind nur in der Hoffnung hierher
gekommen, mit ihm zusam-men zu sein – und jetzt
sollen sie auseinander gerissen werden.
Nun noch ein paar Worte zu unserer Situation im
Lager hier. Wir können Ihnen eine Vielzahl von
Beispielen nennen, um die Bedingungen zu
beschreiben.
Wir zum Beispiel sind eine Familie mit vielen
Kindern; es sind Mädchen und Jungen, auch
volljährige, und wir leben alle zusammen in einem
Zimmer. Dadurch entstehen peinliche Si-tuationen,
bei uns ist das nicht üblich. Wir leben schon
monatelang so, und wir wissen nicht, wie lange wir
das noch aushalten können. Dieses Lager ist nicht
für einen längeren Aufent-halt ausgelegt, die
Einrichtung ist dafür nicht geeignet. Das verursacht
Stresszustände und hat Folgen, die man gar nicht
beschreiben kann. Wenn wir Frauen dass noch
irgendwie aus-halten können, wie ist das erst für
die Männer, denen hier alles genommen wird?
Was haben wir verbrochen, dass wir so leiden müssen.
Sind wir etwa daran schuld, dass wir als
TschetschenInnen geboren wurden und in
Tschetschenien aufgewachsen sind?
Wir sind stolz auf unsere Nation und auf unsere
Heimat. Warum müssen wir dafür büßen?
Die deutsche Regierung hat verkündet, dass sie
AsylbewerberInnen aufnimmt. Wir haben unsere
Angehörigen und Verwandten zurückgelassen und sind
hierher gekommen mit der Hoffnung, Ruhe, Hilfe und
ein kleines Stück Land zu finden, wo man leben und
die Kinder großziehen kann. Diese Hoffnung haben wir
verloren.
Das einzige was wir wollen ist, dass diejenigen, von
denen wir abhängig sind, uns ein Stück Papier geben
wo drauf steht, dass sie es ablehnen uns hier
aufzunehmen. Mit großer Ent-täuschung und
Traurigkeit würden wir versuchen, in einem anderen
Land Asyl zu bekommen.
Bramsche, 27. Juli 2004