Solidarität mit Alican Albayrak und Hüseyin Şahin
Beide sollen für ihre Menschlichkeit verurteilt werden
während die EU, Deutschland & Griechenland die Barbarei fortsetzen
english: „"Showing solidarity with migrants is not a crime!"
statement as PDF: english & german
Alican Albayrak und Hüseyin Şahin waren aufgrund ihrer politischen Aktivitäten gegen Ausbeutung, Entrechtung und Kriege in der Türkei verfolgt und mussten das Land verlassen. Seit dem 17. November 2020 sind sie ihrer Freiheit beraubt und sitzen nun in Griechenland auf der Insel Chios in Haft. Der Grund: Sie haben zwei von Repressionen bedrohten, schutzsuchenden, politisch verfolgten Menschen aus der Türkei geholfen, an die Küste zu gelangen. Ihnen wird nun von der griechischen Regierung „Schlepperei“ (Verletzung des Migrationsgesetzes) und „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ vorgeworfen. Am Montag, den 10. Mai 2021, ist das Gerichtsverfahren gegen beide. Werden sie verurteilt, droht die Abschiebung in das Land, in dem auf sie weitere Jahre Freiheitsberaubung warten.
Wir solidarisieren uns mit Alican Albayrak und Hüseyin Şahin, weil sie sich stets gegen die Entrechtung und Ausbeutung eingesetzt haben. Innerhalb der Sozialistischen Partei der Unterdrückten ESP und gemeinsam mit der Demokratische Partei der Völker HDP haben sie sich in der Türkei stets auf der Seite der ausgegrenzten Menschen geschlagen. Sie haben mit Ihnen den Widerstand gegen die Besetzung des Taksim-Platzes, gegen die Kriminalisierung der Kurdinnen und Kurden und gegen die Ausweitung der Drogen in die ärmeren Stadtviertel organisiert. Hüseyin Şahin sagt selbst (1) über seine vier Inhaftierungen in der Türkei:
„Meine erste Verhaftung fand 2011 statt, weil ich mich an einer Newroz Feier beteiligte. Die die AKP hatte die friedliche Feier aus politischen Erwägungen verboten. Wir waren gemeinsam mit Millionen Menschen, mit dem kurdischen Volk und der ESP auf den Straßen. Meine zweite Verhaftung fand während der Gezi Proteste statt. Als die zerstörerische Politik der AKP das Ziel hatte, Natur in Beton zu verwandeln und ihre anti-demokratischen Repressionen zu verbreiten, verwandelten sich die Proteste schnell zu einer Massenbewegung. Wir waren gemeinsam mit den Massen in den vordersten Reihen. Meine dritte Verhaftung fand im Rahmen einer anti-Drogen Kampagne statt, die wir in unserem Viertel gegen Degenerierung organisierten. Dabei wurden wir während einer nächtlichen Operation in Gewahrsam genommen. Als letztes wurde ich im Rahmen einer Operation gegen unsere Partei ESP gemeinsam mit Dutzenden Arbeiterinnen und Arbeitern der Partei festgenommen.“
Wir solidarisieren uns mit Alican Albayrak und Hüseyin Şahin, denn obwohl sie selbst als Geflüchtete ohne eine klare Perspektive und Zukunft und in einer prekären Lage auf der Insel Lesbos sind, lassen sie ihre Weggefährten und Mitmenschen nicht ertrinken und schutzlos liegen, sondern sie helfen ihnen, ans Land zu kommen. Diese grundsolidarische Haltung und dieser Mut soll ihnen zum Verhängnis werden und hat zu ihrer Verhaftung auf Lesbos am 17. November 2020 geführt.
Wir sind weder überrascht noch enttäuscht von der griechischen Regierung oder der europäischen Union. Denn die Inhaftierung und der Vorwurf ist ein weiterer Beweis in der langen Kette der Barbarei, die wir Menschen aus Afrika, Asien und Lateinamerika seit Jahrhunderten kennen. Aber auch die heute in Europa lebenden Menschen sind Zeuge dieser Barbarei, die sich tagtäglich vor unseren Augen abspielt. Seit Jahren wissen alle hier lebenden Menschen durch die zahlreichen Berichte von den mörderischen Tätigkeiten von FRONTEX nicht nur an den Außengrenzen Europas, sondern auch außerhalb des europäischen Territoriums (2 bis 7): Zerstörung von Booten, Bedrohung von fluchtsuchenden Menschen auf hoher See, rechtswidrige Push Backs in die Hände der Peiniger oder in die Lager in Libyen, Tunesien oder sonstwo. Alle sind Zeugen wie Menschen jeglichen Alters und Geschlechts in Lagern leben müssen. Europa will die Geflüchteten auf den griechischen Inseln, in der Türkei, in Jordanien, in Kenia, … oder anderswo bewusst in einem elendigen Zustand halten und demonstrieren: „Ihr seid nicht willkommen!“. Die Programme der Bundesregierung sollen die Lagersituationen in diesen Ländern stabilisieren. Der Deal der europäischen Union mit der türkischen Regierung dient dazu, die Grenzen dicht zu halten. Alle können bezeugen, wie Menschen an den Grenzen geschlagen oder erschossen werden, wie letztes Jahr an der türkisch-griechischen Grenze oder wie so häufig an der spanisch-marokkanischen Grenze.
Während Mitglieder der Bundesregierung und der europäischen Union ständig die Fahnen der Demokratie und Menschenrechte hissen, tragen sie Konflikte durch wirtschaftliche sowie militärische Interventionen in unsere Länder und sind damit selbst für die Fluchtursachen verantwortlich. In dieser Barbarei wird Egoismus und blinder Gehorsam verlangt. Deshalb werden Fischer in Sizilien verurteilt, weil sie notsuchenden Menschen auf hohe See helfen. Deshalb werden Schüler kriminalisiert, weil sie die Abschiebung ihres Mitschülers nicht akzeptieren und protestieren. Deshalb werden Menschen kriminalisiert, die rufen „Oury Jalloh, das war Mord!“.
Gegen diese Barbarei haben sich Alican Albayrak und Hüseyin Şahin gestellt, weil sie noch nicht von diesem Egoismus infiziert sind, welcher uns gepredigt wird. Gegen diese Barbarei stellen wir uns und solidarisieren uns mit Alican Albayrak und Hüseyin Şahin.
Verbreitet diesen Aufruf. Bekundet eure Solidarität, schreibt ihnen Briefe oder Postkarten, seid kreativ im Netz oder protestiert am 10. Mai 2021 an geeigneten Stellen und demonstriert eure Menschlichkeit gegen die koloniale Barbarei. Briefe an Alican Albayrak und Hüseyin Şahin können an die folgende Adresse geschickt werden:
Gefängnisadresse auf der Insel Chios:
Theodorou 1
Chios 82132
Greece
Die Initiative Freiheit für ALİCAN ALBAYRAK & HÜSEYİN ŞAHİN würde sich freuen, wenn ihr sie über eure Veranstaltungen, Solidaritätsbekundungen, Aktionen oder anderen Aktivitäten ins Kenntnis setzen könntet: freealbayrakandsahin@gmail.com
In Solidarität bleiben wir verbunden …
KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
5. Mai 2021 | Büro Wuppertal
KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
Büro Wuppertal
Marienstr. 52 | 42105 Wuppertal
E-Mail: wuppkarawane@yahoo.de
Internet: https://thecaravan.org
Facebook: https://www.facebook.com/karawanewuppertal oder https://www.facebook.com/caravannetwork
Referenzen
- Freiheit für Alican Albayrak und Hüseyin Şahin, Rote Hilfe e.V. | Ortsgruppe Berlin, 12. März 2021: https://www.berlin.rote-hilfe.de/freiheit-fuer-alican-albayrak-und-hueseyin-sahin/
- Abschlusserklärung „FLÜCHTLINGSTRIBUNAL GEGEN DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND“, 5.7.2013, KARAWANE für die Rechte der Flüchltinge und MigrantInnen Quelle: https://thecaravan.org/node/3833
- Conni Gunßer, Push back Frontex! No more left-to-die cases at sea!”, Vortrag zur EU-Grenzschutzagentur Frontex Weltsozialforum Tunis 2015 Quelle: https://afrique-europe-interact.net/1302-0-Vortrag-Conni-Guner-WSF-Tunis-2015.html
- Illegale Push-Backs: Druck auf Griechenland und Frontex steigt, 15.11.2013, PRO ASYL Quelle: https://www.proasyl.de/news/illegale-push-backs-druck-auf-griechenland-und-frontex-steigt/?gclid=CjwKCAjwm7mEBhBsEiwA_of-TMSDLYG5eEKb5ksIvCbvtQGizeYlKrAmUV9QbbRFivr4uaxTseBKKBoCwYoQAvD_BwE
- Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp, Deutsche Bundespolizisten in illegalen Pushback verwickelt, 28.11.2020, Spiegel Quelle: https://www.spiegel.de/politik/ausland/frontex-skandal-deutsche-bundespolizisten-in-illegalen-pushback-in-der-aegaeis-verwickelt-a-d4e45196-a5b2-43a5-9050-72885b349996
- Simone Gaul, Wie Frontex mit den Lobbyisten Deals aushandelt, 9.2.2021, ZEIT Online Quelle: https://www.zeit.de/politik/2021-02/frontex-files-grenzschutz-waffenlobbyismus-betrug-ermittlungen-nachrichtenpodcast?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
- Sara Creta, Bashar Deeb, Klaas van Dijken, Emmanuel Freudenthal, Steffen Lüdke und Maximilian Popp, Wie Frontex hilft, Migranten in libysche Folterlager zurückzuschleppen, 29.04.2021, Spiegel. Quelle: https://www.spiegel.de/politik/ausland/libyen-wie-frontex-hilft-fluechtlinge-in-folterknaeste-zurueckzuschleppen-a-e80e275d-0002-0001-0000-000177330683
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