Mehre Info: Das Isolation - Flüchtlingslager
„Das Flüchtlingslager in Gerstungen erinnert an ein Konzentrationslager!“
Wie Menschen in Deutschland entwürdigt und gedemütigt werden
Eine kaputte Wand mit Schimmel zwischen Toilette und Dusche.
http://lagergerstungen.blogsport.de/
Am 16.09.2010 besuchten wir, die MitarbeiterInnen einer Flüchtlingsberatungsstelle und der Karawane Jena, das Flüchtlingslager in Gerstungen (Wartburgkreis / Thüringen).
Eigentlich waren wir gekommen, um den jungen afikanischen Mann Banga zu unterstützen. Dieser hatte durch Polizeigewalt vor einigen Jahren erst das eine Augenlicht verloren und ist, infolge einer Operation, welche durch eine fortschreitende Zuckerkrankheit nötig geworden war, auch auf dem zweiten Auge erblindet. Der Mann lebt im Isolationslager Gerstungen ohne ausreichende Betreuung und Versorgung und in ständiger Angst abgeschoben zu werden.
Als wir vor Ort sind, wird schnell klar, dass die Lebenssituation der Flüchtlinge in dieser heruntergekommenen Unterbringung nicht nur für Banga ein großes Problem darstellt, sondern für alle ca. 80 BewohnerInnen unerträglich und absolut menschenunwürdig ist. Es folgt ein kurzer Bericht.
Die baulichen und hygienischen Bedingungen
Die Bausubstanz des Hauses, welches Teil eines ehemaligen Kasernengeländes ist, weist von innen und aussen massive Verfallserscheinungen auf. Der Putz bröckelt von den Wänden, Treppengeländer, Einrichtungsgegenstände und viele Fenster sind zerbrochen. In den Bädern und Toiletten schimmelt es. Schäden an Abflussrohren oder Elektrik sind notdürftig geflickt. Die hygienischen Bedingungen für Babies, Kinder, Frauen und Männer sind katastrophal.
Es gibt für die Frauen pro Etage einen Gemeinschaftstoilettenraum mit einer Dusche. Keine einzige Toilettentür ist verschliessbar. Die Dusche selbst befindet sich hinter einem verschimmelten Vorhang. Da es hier absolut keine Privatsphäre gibt, haben weibliche Personen Angst, die Toiletten und die Dusche ohne Begleitung zu benutzen. BewohnerInnen berichten, dass es schon häufiger zu Belästigungen kam.
Die Duschsituation für die Männer ist genauso schockierend; man muss eine Kellertreppe hinunter gehen und einen langen, dunklen muffigen Gang folgen. Schliesslich befindet man sich in einem kalten, kahlen und vollständig ausgekachelten Duschraum. Beim Anblick des Raumes denken wir sofort an die Duschen eines Konzentrationslagers. An den Wänden sind mehrere Duschrohre installiert. Es gibt keine Duschköpfe. Das Wasser kommt in Form eines harten Strahls direkt von oben auf die Köpfe der duschenden Männer. Einige Männer zeigen uns ihre kahlen Stellen auf dem Vorderkopf, welche durch langjähriges Duschen unter diesen Bedingungen entstanden sind. Ein Teil der Kellerfenster ist zerbrochen und es besteht kein Zweifel darüber, wie kalt es hier zu jeder Jahreszeit ist. Es gibt keine Spiegel, Ablagen oder Haken für Kleidung, Waschzeug oder Handtücher. Schon fast überflüssig scheint es zu erwähnen, dass der Boden sowie Abflüsse und Wände total verschmutzt sind.
Hinzu kommt, dass das warme Wasser im ganzen Haus ab 22.00 Uhr abgestellt und erst morgens um 6.00 Uhr wieder angestellt wird. Bereits zu diesem Zeitpunkt, es ist jetzt ca. 19.00 Uhr, stellen wir fest, dass in der Küche im Erdgeschoss nur noch kaltes Wasser fließt.
Die BewohnerInnen
Es gibt auffällig viele Kleinkinder, Kinder und Jugendliche hier. Nachforschungen ergeben, dass hier im Jahr 2007 offiziell 44 Kinder untergebracht waren. Wir vermuten, dass es jetzt nicht viel weniger sind. Allerdings gibt es keinen Ort, an dem sich die Kinder und Jugendlichen ihrem Alter entsprechend aufhalten können. Es gibt weder den gesetzlich vorgeschriebenen Spielraum noch gibt es einen Gemeinschaftsraum. Daher spielen die Kinder in den vollgestellten schmutzigen Gängen und in den ohnehin schon viel zu engen Wohnräumen der Familien. Kaputte Treppengeländer wurden von den BewohnerInnen mit Wäscheleinen und Klebeband notdürftig repariert, so dass die Kleineren nicht runterfallen können.
Die meisten BewohnerInnen müssen hier schon seit vielen Jahre ausharren. Sie warten oft seit 5, 8, 11 und sogar 17 Jahren auf eine Aufenthaltserlaubnis, die ihnen endlich ein würdiges Leben ermöglichen würde. Die jetzigen Lebensbedingungen hingegen sind unerträglich. Es herrschen Enge und Perspektivlosigkeit, die sich sehr schlecht auf das Wohlbefinden der Menschen auswirken. Niemand hat die Möglichkeit sich zurückzuziehen. Ganze Familien müssen gemeinsam in einem Zimmer schlafen. Aufgrund der schlechten Hygiene hat man Angst, die saniären Einrichtungen und die Küche zu benutzen. Ein Familienvater erzählt, dass seine neunjährige Tochter seit vielen Jahren an Asthma und Neurodermitis leidet. Ihre Kinderärztin hat in einem Attest bestätigt, dass die Erkrankungen mit den Wohnverhältnissen zusammenhängen. Das Mädchen muss ständig Medikamente einnehmen und reagiert unter anderem auf Hausstaubmilden, die sich in ihrem jetzigen Umfeld kaum bekämpfen lassen.
Auch seine Frau ist erkrankt. Ihr Hausarzt hat ihr eine Depression aufgrund der permanenten Angst um den Aufenthalt und die anhaltend schlechten Wohnverhältnisse bescheinigt. Sie weint viel und ist verzweifelt, die jahrelange Ungewissheit um den Aufenthalt und das Leben im Wohnheim machen sie krank. Sie möchte gern arbeiten gehen, doch aufgrund der Duldung kann sie keinen Integrationskurs besuchen und im Wohnheim wird kaum Deutsch gesprochen. Es ist sehr schwer mit einer Duldung eine Arbeit zu finden. Aber auch wenn man Arbeit gefunden hat und seine Familie selbständig ernähren kann, werden Anträge auf Einzelunterbringungen zurückgewiesen. Es wird dann für diese Art von Zwangsunterbringung sogar Miete eingefordert. Die Familie musste 525,oo € Miete für 32 m² zahlen. Wir fragen nach Unterstützung von aussen, z.B. durch AnwältInnen. Man sagt, man bezahle AnwältInnen, aber diese engagieren sich zu wenig. Es gibt keine Beratungsstellen, keinen Kontakt zu den EinwohnerInnen von Gerstungen, keine Bewegungsfreiheit.
Die Verantwortlichen
Kurz nach unserem Eintreffen; wir sitzen gerade seit einigen Minuten im Zimmer eines Bewohners, erscheint die Heimleiterin Frau Wieland an der Tür und fordert uns auf, das Haus sofort zu verlassen. Sie teilt uns mit, dass die Mitglieder der Karawane Hausverbot haben. Mit der Begründung, wir alle seien aus Jena und Mitglieder der Karawane möchte sie nun von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und droht mit der Polizei. Da sich die Karawane Jena seit längerem aktiv für die Schließung des Heimes einsetzt, hat man ihr Hausverbot ausgesprochen. Kurze Zeit später trifft dann auch die Polizei ein. Nach einigen Diskussionen und auf Drängen der Heimleitung entschließt die Staatsbediensteten sich dazu, unsere Personalien aufzunehmen. Falls wir nachweislich Mitglieder der Karawane wären, so teilt man uns mit, bekommen wir eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die verantwortlichen Betreiber dieses Hauses und deren AngestelltInnen mit allen Mitteln verhindern wollen, dass die miserablen Zustände dieser Unterbringung dokumentiert werden und an die Öffentlichkeit kommen.
Obwohl die offensichtlichen Gegebenheiten des Lagers gegen sämtliche Paragraphen der Thüringer Verordnung über Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften widersprechen, gibt man sich von offizieller Seite zufrieden. So argumentierte das Thüringer Innenministerium in einer kleinen Anfrage von DIE LINKE:
„Nach den der Landesregierung vorliegenden Erkenntnissen ist in der Gemeinschaftsunterkunft Gerstungen eine menschenwürdige Unterbringung gewährleistet.“ Und weiter heißt es: „Die Gemeinschaftsunterkunft Gerstungen wurde zuletzt am 21. August 2007 kontrolliert. Anlass zu Beanstandungen gab es hierbei nicht.“
Die Vermutung liegt nahe, dass das Flüchtlingslager in Gerstungen für die privaten Betreiber ein profitables Geschäft zu sein scheint. Die thüringischen Landkreise gewähren für die Betreibung von Gemeinschaftsunterkünften zwischen 4,80 € und 8,35 € pro Person und Tag. Jährlich werden in Gerstungen ca. 6oo.ooo € in die Unterbringung der Flüchtlinge, ca. 45.ooo € in deren soziale Betreuung und 5o.ooo € in die Bewachung der Unterkunft investiert. Angesichts der Situation vor Ort und dem Leid der dort lebenden Menschen fragen wir uns, was die Betreiber, über deren Namen man uns auf Nachfrage beim zuständigen Landesamt Thüringen keine Auskunft geben möchte, mit dem Geld tatsächlich machen.
Fakt ist, dass im Flüchtlingslager Gerstungen Menschen systematisch entwürdigt und gedemütigt werden. Dafür müssen das Land Thüringen, die privaten Betreiber und deren Angestellten zur Rechenschaft gezogen werden.
Wir fordern die sofortige Schliessung des Flüchtlingslagers in Gerstungen!
Wo liegt das „Heim“ in Gerstungen?
Das Flüchtlingsheim Gerstungen liegt im Wartburgkreis in Westthührigen. In Gerstungen leben etwa 6000 Menschen. Die für die Menschen zuständige Ausländerbehörde befindet sich in Bad Salzungen, in der Erzberger Allee 14, 36433 Bad Salzungen .
Die Adresse des Heims: Am Berg 1, 99834 Gerstungen. Das Heim wird von Frau Silvia Wieland und Frau Bohn geleitet.
Besuche der Bewohner sind erlaubt. Ein Besucher muss nur den Namen eines Bewohners angeben und darf zu einer festgelegten Besuchszeit im Heim verweilen.
Viele Menschen im Heim freuen sich sehr über Besucher, da ihnen durch das Leben im Heim viele soziale Kontakte verschlossen bleiben.
Fotos aus dem „Heim“
Hier wollen wir Klarheit über die hygienischen und baulichen Zustände im Heim schaffen. Die Texte und Bilder dürfen gerne für weitere Reportagen genutzt werden.
Dusche und Toilette für die Frauen und Mädchen von 12 Familien, Schimmel an den Wänden und den Duschvörhängen
Eine kaputte Wand mit Schimmel zwischen Toilette und Dusche.
Die Duschwand zerfällt bei der Begutachtung. Der Raum stinkt nach Schimmel.
Privatsphäre unmöglich!!! Die Frauen haben keine Möglichkeit die Tür abzuschließen. Sie müssen immer in Begleitung zur Dusche oder Toilette gehen.
Vollkommen heruntergekommene Rohre mit Schimmel besetzt.
3. Stock. Die Bewohner reparierten das Geländer selbstständig um ihre Kinder vor einem möglichen Absturz aus dem dritten Stock zu schützen. Wer hält das Heim instand?
Der Weg zum Männerbad.
Die Männertoilette.
Wenig Putz, dafür aber Schimmel…
Poröse, feuchte Wände…