In dieser Maiwoche ist ein Großscharter-Abschiebeflug von Hamburg nach Togo geplant. Auch wenn der Pressesprecher der Hamburger Ausländerbehörde der taz-Hamburg (07.0504) gegenüber behauptet, nichts von einem Abschiebecharterflug nach Togo zu wissen, geht aus mehreren Behörden Schreiben eindeutig hervor, daß für diese Maiwoche über die Clearingstelle Hamburg ein bundesweiter Großcharter nach Togo geplant ist. Nach unseren Informationen soll der Flug am 13. Mai vom Hamburger Flughafen starten.
Die togoische Exilopposition und die Karawane rufen am 12.05. zur Demonstration!
Mindestens sechs togoische Flüchtlinge sind uns namentlich bekannt, die von der geplanten Massenabschiebung betroffen sein werden.
In Hamburg-Fuhlsbüttel werden vier Togoer gefangen gehalten: Kouassi Bossou Pascal, Saman Vincent, Koffi Simon und Adam Said. Ein Mann hat bereits versucht aus Angst vor der Abschiebung in die Hände des Regimes sich das Leben zu nehmen. Danielou Sanounou befindet sich in der JVA Volksstedt seit Monaten in Abschiebehaft. Zwei Abschiebeversuche scheiterten an seinem Widerstand. Im Februar wurde er von den niederländischen Behörden zurück nach Deutschland geschickt, da diese bei der Zwischenlandung des Abschiebeflugs zu dem Schluß kamen, daß sein Leben in Togo sehr gefährdet sei.
Am 14. April 2004 wurde bei einem Treffen der EU und der AKP-Staaten dem togoischen Regime ein umfangreicher Maßnahmenkatalog auferlegt, weil das Regime nicht im Entferntesten die Mindeststandards bezüglich der Menschenrechte und demokratischer Strukturen einhält, und die Umsetzung des Artikel 9 des Abkommens von Cotonou blockiert.
Nach dieser Konferenz hätte das Auswärtige Amt und das Innenministerium einen sofortigen Abschiebestop nach Togo ausrufen müssen. Das Gegenteil ist der Fall: Asylablehnungen und Abschiebungen werden gesteigert.
Seit über 37 Jahren herrscht in Togo der Militärdiktator Eyadema und begegnet jeglicher Opposition mit brutaler staatlicher Repression bis hin zu außergerichtlichen Hinrichtungen. Die Eyadema-Diktatur zählt zu einem der blutigsten Regime Afrikas und duldet seit ihrer Machtergreifung kein kritisches Wort, geschweige denn oppositionelle Bewegungen.
Aufgrund dieser dramatischen Entwicklung und den von deutschen Behörden organisierten Menschenrechtsverletzungen werden wir am 12.05. 2004 um 13°° Uhr vom Hamburger Hauptbahnhof (Seite Glockengießerwall) zur Innenbehörde demonstrieren und den Verantwortlichen dort unsere Forderungen persönlich übermitteln:
- Wir fordern eine sofortige Absage der von Hamburger Innenbehörde geplanten Massenabschiebung nach Togo!
- Wir fordern den sofortigen und unbefristeten Abschiebestopp in die Diktatur Togo!
- Wir fordern die Asylanerkennung aller, die dem Regime des Diktators entflohen sind, sowie die Anerkennung des Asyls aller Verfolgten!
Koordinationskreis Hamburg
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Folgende Auflistung dokumentiert die Verpflichtungen, die das Regime unverzüglich umsetzen soll:
1.1 Mit dem Ziel die volle Achtung der demokratischen Prinzipien zu sichern, die unverzügliche Bekanntmachung einer offenen und glaubwürdigenWiederaufnahme des nationalen Dialogs mit der traditionellen Opposition und der Zivilgesellschaft, in einem strukturierten und transparenten Rahmen.
1.2 Die Verpflichtung, unverzüglich die freie Tätigkeit jeder politischen Partei zu garantieren, geschützt vor jedem Akt der Störung, der Einschüchterung oder der Zensur.
1.3 Die Verpflichtung, dem Accord Cadre de Lomé folgend, mit der Revision des Rahmens von Wahlen fortzuschreiten, innerhalb einer Frist von 6 Monaten einen transparenten, demokratischen und für alle Parteien akzeptablen Wahlverlauf garantierend.
1.4 Die Verpflichtung allen politischen Parteien einen gerechten Zugang zu den öffentlichen Medien zu garantieren und ein ausgeglichenes System des Zugangs zu öffentlichen Mitteln, die für politische Parteien vorgesehen sind, einzuführen.
1.5 Die Verpflichtung, neue Wahlen der Legislative zu organisieren, unter transparenten Bedingungen und internationalen BeobachterInnen während aller Etappen des Prozesses, soweit möglich, zuzulassen.
1.6 Die Verpflichtung, innerhalb einer Frist von 12 Monaten Kommunalwahlen zu organisieren, unter transparenten Bedingungen und in allen Etappen BeobachterInnen akzeptierend.
1.7 Die Verpflichtung, innerhalb einer Frist von 12 Monaten die notwendigen Bedingungen dafür bereitzustellen, dass demokratisch gewählte Gemeindeversammlungen über das Mandat und die notwendigen Geldmittel verfügen, um eine wirksame und demokratisch legitimierte lokale Verwaltung zu gewährleisten.
2.1 Die Verpflichtung, in jedem Moment das Ausbleiben von außergerichtlichen Exekutionen, Folter oder anderen inhumanen und entwürdigenden Akten auf togoischem Gebiet zu garantieren, mit einbegriffen eine angemessenen Bildung der Ordnungskräfte und des gerichtlichen Systems.
2.2 Die Verpflichtung, alle politischen Gefangenen freizulassen, die klar aufgrund ihrer politischen Opposition, kritischer Äußerungen hinsichtlich der Regierung oder aufgrund anderer Gründe festgenommen wurden, die eine Haft nicht rechtfertigen. Die Liste der von dieser Maßnahme betroffenen Gefangenen sollte erstellt werden in Zusammenarbeit mit einer oder mehrerer bekannte NGOs, die kompetent in dieser Materie und von allen Parteien akzeptiert sind. Dieser Verpflichtung sollte innerhalb einer Frist, die 6 Wochen nicht überschreitet, nachgekommen werden.
2.3. Die Verpflichtung, innerhalb einer Frist von 3 Monaten alle Akten/Unterlagen offen zu legen über Personen, die in präventiver Haft oder in "provisorischer Freiheit" sind in Hinblick auf eine Klärung ihrer Fälle übereinstimmend mit der geltenden Legislativen.
2.4 Die Verpflichtung vor dem Ende der Beratungen AnwälteInnen und humanitären NGOs und Menschenrechts-NGOs, begleitet von einem Arzt ihrer Wahl, den freien Zugang zu den Gefangenen zu erlauben, an allen Inhaftierungsorten (Gefängnissen, Gendarmerie-Stationen, Polizei...), um ihnen zu gestatten, das Fehlen von Folter und anderen inhumanen Behandlungen nachzuprüfen.
2.5 Die Verpflichtung innerhalb einer Frist von 9 Monaten das Mandat und das Statut der Menschenrechtskommission noch einmal zu prüfen im Hinblick darauf, ihre wirkliche Unabhängigkeit von den Verwaltungsbehörden zu garantieren.
2.6. Die Verpflichtung mit gerichtlichen oder disziplinarischen Maßnahmen, die bewiesenen Akteure von außergerichtlichen Exekutionen, Folter und inhumanen und entwürdigenden Behandlungen zu verfolgen. Die Verpflichtung sollte auch die Abänderung des Gesetzestextes und entsprechender Vorschriften, wo nötig, beinhalten.
2.7 Die Verpflichtung, durch geeignete, später zu präzisierende Maßnahmen das Funktionieren einer unparteiischen und von der Exekutiven Macht unabhängigen Justiz sicher zu stellen. Eine Diagnose, die es erlaubt einen Handlungsplan zu erstellen, wird vor Ende der Beratungen erwartet.
3.1 Die Verpflichtung, die Gesetze von Presse und Kommunikation innerhalb einer Frist von 6 Monaten durchzusehen, um ein Niveau herbeizuführen, das internationalen Standards entsprich. Besonders wird erwartet, dass die Haftstrafen für die Delikte "Diffamierung und Ehrverletzung", zurzeit vorgesehen im Pressegesetz, abgeschafft werden.
3.2 Die Verpflichtung, unverzüglich den Medien, NGOs und Repräsentanten der Zivilgesellschaft das Ausbleiben jeder Störung, Zensur oder Einschüchterung zu garantieren.
3.3 Die Verpflichtung, unverzüglich allen politischen Akteuren und denen der Zivilgesellschaft und jedem Bürger das Recht der freien Äußerung zu garantieren, das Recht an Versammlungen und friedlichen Demonstrationen teilzunehmen, in der Öffentlichkeit und besonders auf nationalem Gebiet, ohne Störung, Zensur oder Einschüchterung.
3.4 Die Verpflichtung, allen Akteuren der Politik und der Zivilgesellschaft Bewegungsfreiheit zu garantieren, als Bürgern und im Rahmen der Ausübung ihrer politischen Funktionen oder der Repräsentierung der Zivilgesellschaft.
3.5. Die Verpflichtung, vor Ende der Beratungen jedem Bürger den freien Zugang zu den Informationen der Medien, einschließlich zu den Web-Sites von Oppositionsparteien, NGOs, etc...zu garantieren.
3.6. Die Verpflichtung, innerhalb einer Frist von 6 Monaten das Mandat und das Statut der Haute Autorité de L'audiovisuel et de la Communication noch einmal zu prüfen im Hinblick darauf, ihre wirkliche Unabhängigkeit von den Verwaltungsbehörden und jeder politischen Kraft zu garantieren.
4.1 Die Verpflichtung, am 1. Juni und am 1. Juli 2004 den Instanzen der EU Berichte zu liefern, die sich auf die realisierten Fortschritte in den verschiedenen Bereichen des Dialogs und auf die Vollendung der übernommenen Verpflichtung beziehen.
4.2 Die Verfügbarkeit der togoischenAutoritäten/Behörden am Dialog an Ort und Stelle teilzuhaben und eventuelle Aufgaben/Aufträge der Kommissionsfunktionäre und ihrer Präsidentschaft in Togo zu erleichtern im Rahmen des in Angriff genommenen Dialogs.
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kurzer Bericht über die Demonstration
13.05.2004
Heute haben ca. 70 Menschen gegen die geplante Massenabschiebung nach Togo vor dem Hamburger Hauptbahnhof
protestiert. Mitglieder der togoischen Exilopposition und Mitglieder der Karawane sowie ein Vertreter der Sozialistischen
Partei Iran sprachen bezeichneten die deutsche Abschiebepraxis als kriminell und schwere Verletzung der
Menschenrechte. Es wurden Informationen über die Diktatur in Togo und die aktuelle Situation gegeben. Mit kurzen
Reden, Live HipHop Act, und Reggaemusik wurde die Öffentlichkeit über das Handeln der Behörden in Kenntnis gesetzt.
Nach der eineinhalbstündigen Kundgebung demonstrierten die Aktvistinnen und Aktivisten und einige Menschen, die sich
spontan angeschlossen hatten, bis vor die Behörde für Inneres und forderten dort:
die sofortige Absage des Deportationscharters nach Togo
einen sofortigen und unbefristeten Abschiebestop in Afrikas dienstälteste Diktatur
und die Asylanerkennung aller Regimegegner
Eine Delegation der togoischen Opposition und der Karawane hatten bereits vorher ein Gespräch mit den
Behördenverantwortlichen gefordert. Beauftragt wurde der Referenten des Innensenators, der unsere Forderung und eine
Informationsmappe entgegennahm. Die Fragen der Delegation bezüglich der Clearingstelle Hamburg (Säuberungsstelle),
zu der zentralen Rolle eine leitenden Sachbearbeiterin, zu Charterabschiebungen aus anderen Bundesländern wurden nicht
beantwortet. Lediglich auf die Frage bezüglich des geplanten Großcharters gab es eine Antwort, daß für diese Woche von
Hamburg aus kein Charterflug nach Togo geplant sei. Ob zu einem späteren Zeitpunkt oder von einem anderen Flughafen
die Abschiebung stattfindet, davon wußte der Referent nichts. Die anderen Fragen werden, wenn sie schriftlich gestellt
werden, beantwortet, wurde der Delegation mitgeteilt.
Die Kundgebung endete gegen 15.30 mit togoischen Widerstandsliedern, Parolen wie "Eyadema criminel - Schröder
(Schily, Fischer) compilze" und dem Versprechen, die Akteure der menschenverachtenden Abschiebepolitik nicht in Ruhe
ihre Verbrechen organisieren zu lassen.
PRO ASYL fordert Abschiebungsstopp
Presseerklärung
12. Mai 2004
Abschiebungscharter nach Togo
EU-Staaten kritisieren massive Menschenrechtsverletzungen des Regimes
Deutsche Behörden liefern dem Diktator Oppositionelle frei Haus
PRO ASYL fordert Abschiebungsstopp
Obwohl noch im April 2004 die EU-Staaten massive Menschenrechtsverletzungen in Togo kritisiert haben, findet vermutlich noch in dieser Woche eine von der Hamburger Innenbehörde in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern organisierte Massenabschiebung nach Togo statt. Passagiere des bundesweiten Großcharterfluges werden togoische Staatsangehörige sein, die im Asylverfahren in Deutschland abgelehnt worden sind. Einige befinden sich bereits in Haft. Einer der wenigen namentlich bekannten Abschiebungshäftlinge hat bereits in der Haftanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel einen Suizidversuch unternommen – aus Angst vor seiner Abschiebung. Einer der von der Abschiebung bedrohten Togoer ist HIV-positiv und bedarf in absehbarer Zeit einer medikamentösen Dauerbehandlung, die in Togo nach Informationen der schweizerischen Flüchtlingshilfe nicht gewährleistet ist.
Nach Angaben der „Karawane für Flüchtlinge und Migranten“ soll sich unter den für die Abschiebung vorgesehenen Menschen ein weiterer Abschiebungshäftling befinden, bei dem deutsche Behörden bereits vor einigen Wochen einen Abschiebungsversuch unternommen haben, der in Amsterdam scheiterte. Dem Betroffenen droht jetzt der Direktflug nach Lomé.
Togoische Asylsuchende haben im deutschen Asylverfahren nur geringe Anerkennungschancen. Immer wieder wird von Seiten des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge oder den Verwaltungsgerichten die menschenrechtliche Lage bagatellisiert oder oppositionellen Togoern entgegen gehalten, ihre Exiltätigkeiten seien nicht derart herausgehoben, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit ihrer Verfolgung nach der Abschiebung zu rechnen sei.
Togos Dauerdiktator Eyadema und seine Schergen sind ob ihrer massiven Menschenrechtsverletzungen hinreichend bekannt. Ein dem togoischen Regime anlässlich eines Treffens zwischen den AKP-Staaten und der Europäischen Union am 14. April 2004 in Brüssel vorgelegter Maßnahmenkatalog enthält Verpflichtungen, die das Regime innerhalb kurzer Zeit umsetzen soll. Die Liste dokumentiert, welche aktuellen Menschenrechtsverletzungen den Regierungen der EU-Staaten bekannt sind: Politische Gefangene in Haft oder Präventivhaft, außergerichtliche Exekutionen, Folter, Einschüchterung der Opposition, Zensur usw.
Dem auch wegen seiner Unberechenbarkeit bekannten Diktator Eyadema, der die Exilopposition beobachten lässt, sollen dennoch seine Kritiker per Charterflug frei Haus geliefert werden.
Der Vorgang macht deutlich, dass in Sachen Asyl und Menschenrechte ein moralischer Doppelstandard propagiert wird.
PRO ASYL fordert einen Abschiebestopp für togoische Flüchtlinge, so lange die zentralen Forderungen aus dem Maßnahmenkatalog vom April 2004 nicht nachprüfbar umgesetzt sind.
gez. Bernd Mesovic
Referent