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Offener Brief an den Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern von Wolfgang Dietrich

LAG Migrationspolitik und Antifaschismus
beim Landesvorstand der Linkspartei.PDS M-V

Dr. Gottfried Timm

Innenminister des Landes
Mecklenburg-Vorpommern
Dr. Gottfried Timm
Karl-Marx-Straße 1
19053 Schwerin
3. Januar 2006

Sehr geehrter Herr Innenminister,

Herr Allassane Moussbaou dürfte Ihnen zumindest dem Namen nach bekannt sein. Wegen politischer Betätigung gegen das blutig-diktatorische Regime in Togo und daraus folgender staatlicher Verfolgung floh er im Jahr 2001 nach Deutschland in der Hoffnung, hier Aufnahme und Schutz zu finden.

Wie Sie wissen, machen es die deutschen ausländerrechtlichen Regelungen Menschen in Not wie Herrn Moussbaou immer schwerer, ein Bleiberecht zu erwirken. Sein Asylersuchen wie auch sein Asylfolgeantrag sind inzwischen abschlägig beschieden worden.
Dennoch durfte er auf weitere Duldung hoffen, denn die politische Situation in Togo wäre Begründung genug, ihn vor einer Abschiebung in sein Herkunftsland zu bewahren.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und der UNHCR, aber auch Ihr Parteifreund Hinrich Kuessner, ehemaliger Präsident des Landtages Mecklenburg-Vorpommern und ausgewiesener Kenner der Lage in jenem westafrikanischen Land, verweisen seit Monaten darauf: Im Togo des Diktators Faure Eyadema herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Es gibt viele Tote, zigtausende TogolesInnen flohen und fliehen noch immer in Nachbarländer.

Tatsachen, die das Auswärtige Amt in Berlin zwar nicht generell negiert, sie aber relativiert: Geschäftsleute und TouristInnen werden vor Reisen nach Togo gewarnt, Abschiebungen von Flüchtlingen seien dennoch möglich.

Sie, Herr Minister, berufen sich auf diesen Lagebericht, der unzweifelhaft auf ökonomische, diplomatische und andere Interessen Deutschlands Rücksicht nimmt. Sie weigern sich aber, die Stellungnahme des UNHCR zur Behandlung von Asylsuchenden aus Togo zur Grundlage Ihrer Entscheidung zu machen. In ihr wird seit August 2005 an die „Aufnahmestaaten außerhalb Afrikas“ appelliert, keine Abschiebungen nach Togo vorzunehmen. Es wird unter anderem auf „nächtliche Razzien, Verhaftungen, Vergewaltigungen und Fälle von Verschwindenlassen, die sich gegen Militante sowie Anhänger und Verbündete der Opposition richten und vermutlich vom togolesischen Militär und dem Militär nahe stehender Milizen verübt werden“, verwiesen.

Allassane Moussbaou gehört zu diesen Oppositionellen, der sich zudem exilpolitisch engagierte. Berichte von Augenzeugen, wie des in Hamburg lebenden Togo-Flüchtlings Abdou Gafar Tschedre Djibril besagen, dass die Eyadema-Diktatur über Fotoaufnahmen verfügt, die das Auftreten von ExilpolitikerInnen dokumentieren. Folglich bestünde auch für Herrn Moussbaou bei einer Abschiebung in sein Herkunftsland akute Gefahr für seinen Leib und sein Leben.

Herr Minister,
verwenden Sie sich dafür, dass Allassane Moussbaou nicht wie geplant am 10. Januar 2006 abgeschoben wird und auch nicht danach. Und dass er aus der Abschiebehaft in der Justizvollzugsanstalt Bützow entlassen wird, in die er kam, weil er sich nicht mit der (nur in Deutschland geltenden) Residenzpflicht einverstanden erklärt oder besser: weil er sein Recht auf Bewegungsfreiheit, ein Menschenrecht, wahrnehmen will.

Der Eilantrag für seinen Abschiebeschutz, den seine Rechtsanwältin beim Oberlandesgericht Rostock gestellt hat, muss Unterstützung erfahren. Unsere erklären wir hiermit.

Es sei daran erinnert, dass sich die SPD-Linkspartei.PDS-Landesregierung das Praktizieren einer menschenrechtlichen Asyl- und Flüchtlingspolitik zum Ziel gesetzt hat im Wissen darum, dass Menschenrechte umfassend und für alle gelten oder gar nicht. Lassen Sie nicht zu, dass erste Schritte auf diesem Wege untergraben werden.

Herr Minister,
in unserem Bundesland leben die meisten der nach Deutschland geflohenen TogolesInnen. Daraus erwächst für die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern und speziell für Sie als zuständigem Ressortleiter eine besondere Verantwortung für diese Menschen.

Nutzen Sie die Ihnen durch das Zuwanderungsgesetz gegebenen rechtlichen Ermessensspielräume:
Erlassen Sie einen Abschiebestopp für alle in Mecklenburg-Vorpommern lebenden togolesischen Flüchtlinge.

Unser Land bezeichnet sich als weltoffen. Es beklagt die Abwanderung besonders junger Menschen. Es verträgt sich in vielerlei Hinsicht nicht, zugleich Menschen, die mit ihrem Wissen, Können und ihrer Kultur mit uns leben wollen, des Landes
zu verweisen.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Dietrich
Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft
Migrationspolitik und Antifaschismus beim
Landesvorstand der Linkspartei PDS
Mecklenburg-Vorpommern

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