Die Todesspirale der Festung Europa dreht sich weiter! Nach dem jüngsten Tod in Abschiebehaft in Hamburg, wurde am 17. März ein nigerianischer Flüchtling im Zuge einer gewaltsamen Abschiebung (in der schweiz "Ausschaffung" genannt) getötet.
Im Folgenden einer Erklärung der Gruppen augenauf und Solidarité sans frontières
19.3.2010 Mahnwache vor dem Bundeshaus mit 50 Leuten
Die Gruppe augenauf ist schockiert über den Tod eines Nigerianers, der am Abend des 17. März auf dem Zürcher Flughafengelände während der Zwangsausschaffung sein Leben lassen musste. Wie so oft wurde in den ersten Presseberichten als erstes das Bild eines kriminellen, renitenten Asylbewerbers und Drogendealers gezeichnet. Zwar steht in der offiziellen Bekanntgabe der Kantonspolizei, dass der 29 jährige Mann polizeilich lediglich wegen Drogenhandels "verzeichnet" - also nicht verurteilt gewesen sei. Aber der Bericht der KAPO und des Bundesamt für Migration zeigt einmal mehr auf - wie gezielt man ein Opfer zum Täter macht, um damit den gewaltsamen Tod eines afrikanischen Flüchtlings in den Hintergrund zu verdrängen.
augenauf weist seit Jahren darauf hin, dass bei Level 3 und 4 Zwangsausschaffungen polizeiliche Zwangsmassnahmen angewendet werden, die sehr schnell zum Tod eines Ausschaffungsgefangenen führen können und die leider auch in Kauf genommen werden.
* Bereits am 3. März 1999 starb Khaled Abuzarifeh beim zweiten Ausschaffungsversuch. Auch dem 27-Jährigen Palästinenser waren Beruhigungsmittel verabreicht worden, um ihn dann gefesselt und mit Klebeband geknebelt in einem Rollstuhl festzuschnallen. Er erlitt beim Transport zum Flugzeug eine Panikattacke und erstickte qualvoll. Im Prozess wurden die beteiligten Polizisten freigesprochen. Gegen den Arzt, der anstatt sofort die Atemwege frei zu machen und die Mundfesseln zu entfernen die Zeit mit Blutdruckmessen vergeudet hatte, wurde eine dreimonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung verhängt.
* Am 1. Mai 2001 erlag im Wallis der Nigerianer Samson Chukwu noch in der Ausschaffungshaft an den ihm von Beamten einer Anti-Terror-Einheit zugefügten Misshandlungen. Einer der Polizisten setzte sich auf den Oberkörper des am Boden liegenden Asylbewerbers und verdrehte
die Arme auf den Rücken um ihm Handschellen anzulegen. Durch diese Lage bekam Samson Chukwu nicht genügend Luft und erstickte. Der 27- Jährige starb noch in seiner Zelle an Positionsasphyxie – am lagebedingten Erstickungstod. Zu diesem Schluss kam auch die gerichtsmedizinische Untersuchung dieses Todesfalls im Walliser Ausschaffungszentrum von Granges. Das Ermittlungsverfahren gegen die beiden Polizisten wegen fahrlässiger Tötung wurde vom Untersuchungsrichter im Oktober 2001 eingestellt. Die Polizeibeamten hätten nicht wissen können, dass die von ihnen angewendeten Griffe gefährlich sein könnten, so die Begründung!
Seit 1991 sind im europäischen Raum weitere Flüchtlinge bei ihrer Ausschaffung durch massive Polizeigewalt getötet worden.
Erschreckende Beispiele sind hierfür die Fälle von Aamir Ageebs aus Deutschland, Marcus Omofuma aus Österreich, Joy Gardner aus Grossbritannien und Semira Adamu aus Belgien.
* Am 28. Juli 1993 erstickte die Jamaikanerin Joy Gardner in ihrer Wohnung, als sie zur Erzwingung ihrer Ausschaffung von fünf Polizisten und einem Beamten der Einwanderungsbehörde auf den Boden
geschleudert, mit Handschellen und einem Ledergürtel gefesselt und bewegungsunfähig gemacht, sowie mit vier Meter Klebeband geknebelt wurde. Ihr fünfjähriger Sohn musste mit ansehen wie seine Mutter misshandelt wurde und qualvoll erstickte.
* Der 25-jährige Nigerianer Marcus Omofuma wurde am 1. Mai 1999 mit Handschellen und Klebeband gefesselt und geknebelt auf dem Wiener Flughafen an Bord eines Flugzeugs gebracht. Dort wurde er nochmals mit zehn Meter Klebeband an den Sitz fest angegurtet und festgeklebt.
*Hamid Bakiri, gab sich einen Tag vor der Ausschaffung im Gefängnis Chur selbst den Tod. Seine Angst vor der Rückkehr nach Algerien war zu gross, er musste in seinem Herkunftsland mit sofortiger Inhaftierung rechnen.
* Ein Mann aus Sierre Leone, wohnhaft gewesen in St. Gallen, starb nach einem 24-stündigen Hin-und-wieder-zurück-Flug einen qualvollen Tod im Zürcher Polizeigefängnis.
* Abdi Daud starb im März 2008 mangels medizinischer Betreuung nach mehreren Monaten Ausschaffungshaft in einem Zürcher Spital.
* Der 23 jährige sudanesische Flüchtling Aamir Ageeb starb am 28. Mai 1999 an Bord einer Lufthansa-Maschine von Frankfurt nach Khartum. Im Flugzeug wurden ihm noch zusätzlich zur Fesselung seine Beine an dem Sitz mit Klettband fixiert und man setzte ihm einen Motorradhelm auf.
* Der Tamile Arumugan Kanapathipillai kollabierte 1991 auf dem Pariser Flughafen Roissy infolge seiner Fesselung und Knebelung und verstarb kurze Zeit später in einem Krankenhaus. Gegen die Polizisten, die die Ausschaffung durchführten, wurde nie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
* Am 30. August 1994 erstickte in Deutschland der Nigerianer Kola Bankole an Bord einer Lufthansamaschine an einem Knebel. Dem Nigerianer waren zuvor Beruhigungsmittel gespritzt worden. Ein Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, da die Staatsanwaltschaft meinte, die getroffenen Massnahmen hätten im Einklang mit den Gesetzen gestanden.
* Am 18. Dezember 2000 starb der Kameruner Christian Ecole Ebune in Ungarn nach einem gescheiterten Abschiebungsversuch. Der Pilot der Linienmaschine hatte sich geweigert, den an Händen und Füssen gefesselten und auf einem Gepäckwagen zum Flugzeug transportierten Kameruner mitzunehmen da er sich gegen seine Abschiebung wehrte. Zurück im Flughafengebäude soll der 31-Jährige von den Polizisten geschlagen worden sein und eine durch Panik und Stress ausgelöste tödliche Herzattacke erlitten haben.
* Am 30. Dezember 2002 starb in Frankreich der Argentinier Ricardo Barrientos, als die ihn begleitenden Beamten während des Fluges seinen Oberkörper zwischen seine Knie drückten und seine Hände hinter dem Rücken mit Handschellen fesselten, um seinen Widerstand gegen die Ausschaffung zu brechen.
* Keine drei Wochen später wurde ebenfalls in Frankreich der 24-jährige Somalier Mariame Getu Hagos auf die gleiche Weise gefesselt und verbogen wie Ricardo Barrientos. Dabei fiel er ins Koma und starb zwei Stunden nach seiner Einlieferung in ein Krankenhaus.
Wir verlangen nach wie vor:
Des weiteren:
Medienmitteilung von Solidarité sans frontières vom 18.3.2010 (PDF)
Mahnwache 19.3.2010 vor dem Bundeshaus:
Foto gross, Fotoausschnitt, Video auf YOUTUBE (Quellenhinweis: sosf.ch)
Zwangsausschaffungen: Wieviele Tote braucht es noch?
1999 starb Khaled Abuzarifa auf dem Flughafen Zürich bei der Abschiebung. Erstickt als Folge der Zwangsmassnahmen. 2001 starb Samson Chukwu im Wallis. Sogenannt "lagebedingter Erstickungstod". Jetzt haben die Zwangsausschaffungen mutmasslich wieder ein Todesopfer gefordert. Nun fordert Solidarité sans frontières, grundsätzlich auf Zwangsausschaffungen zu verzichten.
«Zwangsausschaffungen führen – nicht nur in der Schweiz – immer wieder zu Todesfällen. Die Schweiz soll grundlegend auf Zwangsausschaffungen verzichten» fordert Balthasar Glättli, Generalsekretär von Solidarité sans frontières.
Zwangsanwendungsgesetz konnte offensichtlich Todesfall nicht verhindern
Nach den letzten Todesfällen hatte der Bund versprochen, mit dem Zwangsanwendungsgesetz sicherzustellen, dass keine weiteren Todesfälle durch Zwangsausschaffungen vorkommen. Wie nun befürchtet werden muss vergeblich. Solidarité sans frontières ist der klaren Überzeugung: Das Recht auf körperliche Unversehrtheit und der Schutz vor im schlimmsten Fall tödlichen Zwangsmassnahmen müssen in jedem Fall höher gewichtet werden als der Wunsch der Schweiz, Personen von ihrem Territorium zu entfernen. Deshalb müssen die Zwangsausschaffungen nicht nur temporär ausgesetzt werden.
Solidarité sans frontières unterstützt Forderung nach unabhängiger Untersuchung
Solidarité sans frontières unterstützt im übrigen die Forderungen von amnesty international, dass der aktuelle Vorfall von einer unabhängigen und unparteilichen Untersuchungsinstanz aufgeklärt werden muss.
Aufruf zu Mahnwache
Mit einer friedlichen Mahnwache auf dem Bundesplatz von 11h bis 11.15h soll morgen Freitag der Forderung Nachdruck verschafft werden, künftig ganz auf Zwangsmassnahmen zu verzichten. Dazu hat Solidarité sans frontières u.a. via Facebook aufgerufen.
Kontakt für Rückfragen: Balthasar Glättli, Generalsekretär Solidarité sans frontières, 076 334 33 66
WEITERE INFOS