Lage im Lager Meinersen
update und Aufruf zur Solidarität
Briefkampagne Lager Meinersen schließen
Knapp einen Monat nach der zweiten Demonstration der Flüchtlinge aus dem Isolationslager Meinersen hat sich an der fürchterlichen Situation der Menschen im Lager nichts geändert.
Die Behörden missachten weiterhin die Rechte und die Forderungen der Flüchtlinge.
Dennoch haben die Flüchtlinge Öffentlichkeit geschaffen und das Schweigen im Landkreis Gifhorn und darüber hinaus gebrochen. Unterstützt von antirassistischen Initiativen aus Hannover und Braunschweig, dem niedersächsischen Flüchtlingsrat und der KARAWANE planen die Flüchtlinge aus Meinersen ein politisch-kulturelles Fest in einigen Wochen in Gifhorn. Mit Informationen, Ausstellung, Film, Diskussionsrunde, internationalem Spezialitäten Buffet und Konzert möchten sie zum gesellschaftlichen Leben in Niedersachsen beitragen. Kulturelle Vielfalt gegen Monokultur , Solidarität gegen Isolation – Termin und Details folgen bald.
Nach den bisherigen Protesten hat es verschiedene Besuche im Lager gegeben. Von Menschenrechtsgruppen, von einem Rechtsanwalt, von der Grünen Partei wurden Unterstützungsabsichten geäußert. Die SPD verabredete einen Termin mit den Menschen im Lager und sagte dann wieder ab.
Mitte September kamen Leute im Auftrag der Betreiberfirma K&S. Auf Nachfragen der Flüchtlinge hieß es, Fenster und Türen sollten ausgetauscht werden. Die sagten, dass sei nicht nötig, dass Lager müsse geschlossen werden. Die Fenster – Kunststoffrahmen und Isoverglasung – sind in der Tat nicht das Problem. Die isolierte Lage, die extreme Enge, die fehlende Privatspähre durch die Kasernierung, das sind Probleme, die baulich nicht gelöst werden können. Mancher fragte sich, ob man die Doppelglasfenster durch einfache Verglasung ersetzen wolle, damit die Fenster nicht dicker sind als die Wände.
Es sollte der Betreiberfirma klar gemacht werden, dass sie ihr Geld auf andere Weise als mit der schamlosen Ausbeutung der am meisten benachteiligten Menschen in diesem Land machen sollen. Der Betreiber K&S ist ein privates Wirtschaftsunternehmen, dass Gewinn machen will und muss – mit Seniorenheimen und Flüchtlingsunterbringung . Aus den Steuergeldern, die es für die Betreibung des Lagers erhält, versucht die Firma so viel wie nur eben geht für sich als Gewinn herauszuziehen. Klar, was das für die Lebensumstände der Lagerinsassen bedeutet. Dass die gesamten Kosten für die Unterhaltung des Lager einschließlich des Lagerpersonals unterm Strich höher sind als dezentrale Unterbringung in Wohnungen – die medizinischen Behandlungen der durch den Dauerstress im Lager verursachten Krankheiten nicht eingerechnet – hat viele Landkreise bewegt, die Lagerunterbringung abzuschaffen.
Aber es geht nicht vorneweg um Steuerverschwendung oder dass die aufgewendeten Gelder gar nicht den betroffenen Menschen zu Gute kommen.
Es geht einfach um die menschenfeindlichen, krank und verrückt machenden Lebensbedingungen im Lager Meinersen. Und es geht darum, das Lager zu schließen und dass sofort die Familien und sukzessive alle anderen Menschen in Wohnungen umziehen.
Montag und Donnerstag sind die Tage an denen die Flüchtlinge zur Verlängerung der Duldung nach Gifhorn müssen. An diesen Tagen, erzählen uns einige Familienväter, ist die Aggression und der Stress besonders groß. Die Behandlung auf der Ausländerbehörde, die seit vielen Jahren immer nur für einige Wochen verlängerte Erlaubnis zu existieren, die Ablehnung von Anfragen für notwendige Grundbedürfnisse, Abschiebeankündigungen, all dies Sachen führen an den Behördentagen zu ungeheurem Stress. Ein Vater berichtet, dass er dann oft nachts nicht schlafen kann: vielleicht wurde jemand so weit gebracht ist, dass er durchdreht und vielleicht Feuer legt. Der Druck auf uns ist so groß, dass man nicht weiß, wie der Einzelne das verkraftet.
Was sagt ihr dazu, fragt uns ein anderer. Ich hatte einem Pullover von mir und einen von meinem Sohn in die Wäsche gegeben – wir dürfen ja nicht selbst unsere Wäsche waschen – als ich sie zurück bekam waren die Pullover kaputt, eingelaufen und verfilzt. Der Hausmeister zuckte nur mit den Schultern. So was ist nicht nur einmal passiert. Einer von uns ist deswegen mal zur Polizei gegangen, um Anzeige zu machen. Das haben die abgelehnt. Du läufst nur vor Wände, die machen was sie wollen. Wenn ich hin gehe und ein T-Shirt vom Hausmeister zerschneide, bekomme ich mit Sicherheit ein Anzeige, eine Strafe und muss es ersetzen. Aber umgekehrt gibt es für uns nicht mal eine Stelle, die unsere Beschwerde entgegennimmt und bearbeitet.
Vor unserer letzten Demonstration wurde wir auf der Behörde eingeschüchtert und bedroht. Wenn wir an dem Protest teilnehmen, werden wir mit Sanktionen belegt. Für einige hatte das schon Wirkung, aber die meisten sind weiter fest entschlossen bis zum Ende zu gehen. Was bleibt uns denn, die wollen uns doch kaputt machen.
Eine Familie konnte vor kurzer Zeit das Lager verlassen. Wer dachte, dass sich jetzt wenigstens etwas für die Familien bewegt, wurde einige Tage später des Bessern belehrt. Die Familie, die das Lager verlassen durfte, hatte ein normales Zimmer und ein kleines Zimmer dazu. Es wurde eine neue Familie gebracht – Vater, Mutter und zwei Kinder 12 u. 14 Jahre alt. Die neue Familie wurde in dem größeren Zimmer untergebracht. Das kleine Zimmer wurde für eine weitere Belegung frei gehalten.
Die Behörden im Landkreis Gifhorn wollen es also noch schlimmer machen.
Eine kleine Delegation aus dem Lager war beim Bürgermeister, um über die unerträgliche Situation zu sprechen. Der Bürgermeister aus Meinersen behauptete, dass die Berichte über das Lager nicht stimmen würden. Eine Einladung, zusammen zum nicht weit entfernten Lager hinüberzugehen, wollte er nicht annehmen. Er kenne den Ort. Er vertrat die Auffassung, dass es solche Form der kasernierten Unterbringung geben müsse, auch wenn es für Familien schlecht sei.
Soweit ein kurzes update über die Situation der Flüchtlinge im Lager Meinersen und ein Aufruf, den Kampf der Flüchtlinge für ein menschenwürdige Unterbringung stärker zu unterstützen.
Eine Delegation der Karawane Hamburg, 26.09.2010
KARAWANE für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen – Hamburg
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