- An die Abgeordneten Herr Detlef Tanke und Frau Silke Lesemann
- An die Öffentlichkeit
Am 12. Februar hat in Meinersen ein Treffen der Flüchtlinge aus dem Lager mit solidarischen Menschen aus der Region, der Karawane Gruppe Hamburg, dem antirassistischen Plenum Hannover und dem niedersächsischen Flüchtlingsrat stattgefunden. Es wurde festgestellt, dass die Situation unverändert ist. Es wurde daran erinnert, wie es dem Flüchtling Hamed S. erging, als er vor einigen Wochen Türen zerschlug und Nachbarn bedrohte. Solche Nervenzusammenbrüche kommen durch die Isolation und den Entzug jeglicher Rechte.
Es scheint, dass die Dimension dieser Unterbringungsform nicht verstanden wird. Zumindest liest sich so der Bericht in der Gifhorner Rundschau über den Besuch der SPD Abgeordneten im Lager Meinersen.
Laut Gifhorner Rundschau sagen die Abgeordneten „Sicher gibt es Verbesserungsmöglichkeiten, aber viele Beschwerden gehen auch auf persönliche Wertungen zurück und sind schlichtweg übertrieben“
Wir halten erneut fest:
1.
Es werden nach wie vor Familien mit Kindern ins Lager gebracht - eine Roma Familie mit Babys wurde gebracht und kurze Zeit später abgeschoben.
2.
Es gibt keine Privatsphäre, 4-6 Personen auf einem Zimmer, der Hausmeister und der Lagerleiter kontrollieren unsere Anwesenheit und berichten der Ausländerbehörde, die uns ständig Stress macht. 75 Menschen teilen sich je einen Toilettenraum für Männer und einen für Frauen. Am 12. Februar waren zwei der drei Pissoirs defekt. Es gibt einen Duschraum für Männer und einen für Frauen und eine Küchenzeile im ersten Stock und eine im Erdgeschoss. Es gibt keinen Zugang zum Wäscheraum. Der Hausmeister und der Leiter waschen die private Wäsche der Flüchtlinge, beispielhaft ein Baustein des entwürdigenden und entmündigenden Lagersystems im Landkreis Gifhorn. Die Flure sind eng und die Wände aus Gipskarton. Es gibt nicht einen einzigen Gemeinschaftsraum – nicht ein Spielzimmer, Schulaufgabenzimmer oder Gemeinschaftszimmer für die Erwachsenen.
„ich wache morgens auf und muss dringend zur Toilette. Der Hausmeister putzt gerade den Toilettenraum. Er will mich nicht reinlassen. Ich hab Bauchschmerzen, es gibt keinen zweiten Toilettenraum. Ich bestehe drauf. Er sagt zu mir 'du Arschloch' und 'du wirst eh abgeschoben'“
"Seit 11 Jahren lebe ich unter den Bedingungen des Lager im Landkreis Gifhorn“
3.
Viele leben seit mehr als sechs, acht und zehn Jahre unter den Bedingungen der Lager. Das ist gefrorene Lebenszeit. Alles nicht erlaubt. Es ist verboten den Landkreis zu verlassen. Anträge auf Erlaubnis werden abgelehnt. Anträge auf Arbeitserlaubnis auch wenn Arbeitgeber sich anbieten werden abgelehnt. Bildung für die Jugendlichen endet mit der mittleren Reife ohne weitere Möglichkeit. Die Geldmittel liegen zwischen 0 und 40 Euro im Monat. Lebensmittelgutscheine für 125 oder 112 Euro im Monat werden pro Person ausgegeben. Gifhorn ist 15 km weit weg.
„Nicht nur für Behördengänge und Arztbesuche müssen wir oft nach Gifhorn. Wir haben keine Fahrkarte und kein Geld. Uns wird gesagt, lauf oder dein Problem. Manche müssen über lange Zeiträume mehrmals im Monat zur Verlängerung der Duldung, manchmal alle drei Tage. Zum Gespräch – richtiger als Verhör zu bezeichnen - dürfen wir keinen Zeugen mitnehmen obwohl es ein Recht darauf gibt. Jeder fragt sich, wann zerbreche ich oder wann explodiere ich.“
4.
Es gibt zahlreiche Schikanen und verschiedene Sonderbehandlung durch die Ausländerbehörde oft auch in Kombination mit dem Sozialamt. Diese alle aufzuzählen würde den Rahmen des Briefes sprengen. Im Prinzip werden alle Anträge verzögert bearbeitet, immer neue Begründungen vom Antragsteller verlangt und zuletzt oder im Nachhinein abgelehnt. Die Drohung mit Abschiebung wird immer wieder ausgesprochen – besonders für die, die Protest erheben und an die Öffentlichkeit gehen. Bei den vorangegangenen Demonstrationen wurde Flüchtlingen von der Ausländerbehörde mit Kürzung der Leistungen und Bargeld gedroht.
„Die Ausländerbehörde macht uns richtig viel Stress und nachher erlauben die uns nicht zum Arzt zu gehen, um eine Therapie zu machen.Verstehen Sie was ich meine? Bald werden wir ALLE genauso enden wie der, der total ausgerastet ist. Er hat auch sehr viel Stress von der Ausländerbehörde gehabt und durfte keine Therapie machen und ist deswegen ausgerastet. Genau das gleiche will der Leiter der Ausländerbehörde Renders auch mit uns machen. Er will dass wir auch total ausrasten und irgendwann in der Psychiatrie oder im Gefängnis landen.“
Wir können die Verharmlosungen und die Relativierungen wie sie nach dem Besuch der SPD Abgeordneten in der Öffentlichkeit auftauchten nicht unwidersprochen lassen.
Jeder und jede möge für sich selbst und seine Familie das Leben unter oben beschriebenen Bedingungen vorstellen.
Wir Flüchtlinge im Landkreis Meinersen haben harte Schicksalsschläge hinter uns. Wir sind aus der Heimat geflohen, um Schutz in Deutschland zu suchen. Wir werden im Landkreis Gifhorn als Betrüger diffamiert. Wir sollen unsere Abschiebung selber betreiben. Wir kommen aus dem Nordkaukasus, aus Afghanistan, dem Irak, aus Iran, Syrien, Palästina, China, Armenien, Afrika .... Wir haben Verfolgung erlebt und flohen nach Deutschland, das sich sehr für Menschenrechte ausspricht. Wir leben jetzt viele Jahre hier, in unseren Heimatländern hat sich die Lage oft stark verschlechtert. Wir erleben wie mit Passbeschaffungs-Delegationen aus unseren Herkunftsländern Geschäfte für unsere Abschiebung gemacht werden. Bekannt gewordenen Beispiele sind Guinea und aktuell Armenien, wo Niedersachsen stark engagiert ist. Auch Falschinformationen zur Erlangung von Papieren sind bekannt geworden, aber wir werden als Betrüger beschimpft. Es gibt beispielsweise das deutsche Abschiebeabkommen mit Syrien. Immer wieder sind die abgeschobenen Flüchtlinge festgenommen und misshandelt worden. Natürlich haben wir Angst vor der Abschiebung. Aber wir fordern dennoch unser Recht.
Wir fordern einen gesicherten Aufenthalt in Deutschland!
Es gibt ausreichenden Handlungsspielraum nur fehlt der politische Wille im Landkreis Gifhorn, das zerstörerische Lagersystem aufzuheben. Es gibt inzwischen zahlreiche Beispiele in Deutschland, wo die Lagerunterbringung aufgehoben wurde.
Das Lager Meinersen ist kein Wohnort für Menschen und muss geschlossen werden.
Eine Protestbriefkampagne für den Rückzug der Firma „Dr. Kranz Sozialbau K&S“ aus dem Geschäft mit dem Betreiben von Lagern zur Isolierung und Kasernierung von Flüchtlingen auszusteigen, wurde von einigen empörten Bürgern und Bürgerinnen initiiert. ( siehe Anlage)
Die Versammlung am 12. Februar in Meinersen hat beschlossen im Rahmen des bundesweiten dezentralen „Aktionstags gegen Lagerisolation & rassistische Sondergesetzgebung“ am 24. März 2011 in Gifhorn eine Protestveranstaltung abzuhalten. Nähere Informationen folgen.
Flüchtlingsinitiative Meinersen und unterstützende Kreise
Kontakt: Nurjana Ismailowa 0174-863 30 75
weiterer Kontakt:
Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen – Hamburg
c/o Internationales Zentrum, Brigittenstr. 5, 20359 Hamburg
Tel: 040-43 18 90 37, Fax: 040-43 18 90 38, mail: free2move [ät] nadir.org
mobil: 0151 508 600 91